[hoffentlich diesmal ohne Fehler einkopierbar]
Berlin erstickt im Stau. Täglich wälzen sich Massen von Autos durch die Stadt - Lärm verursachend, die Luft verpestend und andere Verkehrsteilnehmer*innen gefährdend. Und das ineffizienteste Verkehrsmittel für urbane Mobilität beansprucht dabei nach wie vor den meisten Platz in der Stadt.
Um diese Situation zu verbessern haben wir in den ersten drei Jahren unserer Regierungsbeteiligung die Verkehrswende angestoßen. Zum Beispiel arbeiten heute mehr als 30 Mal so viele Radverkehrsplaner*innen wie noch vor 3 Jahren daran, eine sichere und attraktive Radinfrastruktur aufzubauen.
Doch die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam, und Planungsprozesse für die Umgestaltung der Infrastruktur dauern Jahre. Neue Mobilitätsangebote, die, richtig eingesetzt, dazu beitragen können, die Zahl der Autos auf unseren Straßen zu reduzieren, sind daher heute schon wichtig für unsere Stadt. Um Menschen zum Umstieg vom Auto in den Umweltverbund zu motivieren, sind komfortable Mobilitätsangebote nötig, deren Kosten für die Nutzer*innen den gefühlten Preis des Autofahrens nicht deutlich übersteigen.
In Berlin ist neben den klassischen ÖPNV-Angeboten eine Vielzahl solcher modernen Mobilitätsangebote in den Innenstadtbezirken verfügbar – z.B. Leih-Pedelecs von Uber Jump, elektrisches Ridesharing von CleverShuttle, Elektroroller von Emmy, elektrisches Carsharing von WeShare, E-Scooter von Tier oder die Lastenräder der fLotte des ADFC.
Neben den offensichtlichen Unterschieden haben diese Angebote Gemeinsamkeiten: Sie sind flexibel, der Betrieb nicht in öffentlicher Hand, die Buchung erfolgt digital und trotz des Sharing-Aspekts genießen Nutzer*innen, die Probleme mit dem Aufenthalt in vollen Bussen und Bahnen haben, die Freiheit ihres „eigenen“ Verkehrsmittels.
Doch trotz aller Vorteile erleben wir zurzeit eine Entwicklung zurück in die Vergangenheit. Der Rückzug des Elektroroller-Anbieters Coup hinterlässt eine große Lücke, E-Scooter werden verteufelt und nun steht auch noch der Ridesharing-Dienst BerlKönig der BVG vor dem Aus.
Der BerlKönig ist schon lange auch berechtigter Kritik ausgesetzt. Bisher ist der Besetzungsgrad nicht ausreichend hoch und das Betriebsgebiet beschränkt sich auf einen Bereich, der sehr gut mit klassischem ÖPNV erschlossen ist. Auch die veranschlagten Zuschusskosten für die Verlängerung des Pilotprojekts mit BVG und ViaVan, dem Joint Venture von Mercedes-Benz Vans mit dem US-amerikanischen Unternehmen Via Transportation, in Höhe von ca. 43 Mio. € pro Jahr, sind unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu den ca. 90 Mio. € Zuschusskosten für alle anderen bei der BVG bestellten Verkehrsleistungen.
Doch Verkehrsforscher fordern dennoch eine Fortsetzung des Versuchsprojekts – denn die Potenziale eines solchen Dienstes als Ergänzung zum klassischen ÖPNV sind hoch, besonders für die weniger gut durch ÖPNV erschlossenen Randgebiete. Ein auf vier Jahre angelegtes Forschungsprojekt nach zwei Jahren zu beenden, ist ein falsches Signal. Für die integrierte Verkehrsplanung sollte der Ridesharing-Markt nicht nur privaten Unternehmen überlassen werden. Im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Anbietern hat die öffentliche Hand beim BerlKönig der BVG zum einen eine bessere Möglichkeit, die Vernetzung mit dem ÖPNV zu steuern, zum anderen können aus erster Hand Erkenntnisse über die Nutzung solcher Dienste gewonnen werden.
Wir fordern daher die zuständigen Senatsverwaltungen auf, mit geeigneten Betreibern wie der Berliner Door2Door GmbH, der Bahn-Tochter CleverShuttle, MOIA von VW oder ViaVan über den Betrieb eines Ridesharing-Dienstes der BVG zu verhandeln, der das für Berlin gültige Pflichtfahrgebiet für Taxis abdeckt und im Verkehrsvertrag verankert wird.
Mittelfristig werden auch mit Betreibern von Flotten von E-Scootern, (Lasten-) Fahrrädern, E-Rollern und stationsbasierten Carsharing-Fahrzeugen Kooperationen eingegangen, die über die bisherige Kooperation im „Jelbi“ Projekt hinaus gehen. Unser Ziel ist es, dass das gesamte Mobilitätsangebot in der Tarifstruktur eingebettet ist und so zum Beispiel für Besitzer*innen von Zeitkarten die Nutzung der Sharing-Angebote inklusive oder zu vergünstigten Konditionen möglich ist. Mit solchen Angeboten als Ergänzung zum klassischen ÖPNV wird sich die BVG zu einem ganzheitlichen MaaS (Mobility-as-a-Service) -Anbieter entwickeln, der allen Berliner*innen und Gästen intermodale Tür-zu-Tür Mobilität mit einem einfachen Tarifsystem ermöglicht. Dazu gehört auch der Ausbau der BVG Mobilitäts-Hubs und die konsequente Beachtung der Open-Data-Prinzipien. Nach dem Vorbild Ernst Reuters, der in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Vereinheitlichung der Tarife im Berliner ÖPNV und die Gründung der BVG durchsetzte, werden wir in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts auch neue Mobilitätsformen unter das Dach der BVG bringen. Nur wenn der Betrieb in öffentlicher Hand ist, können wir sicherstellen, dass die Verkehrsmittel dort angeboten werden, wo sie den meisten Nutzen bringen, zum Beispiel in den Randgebieten der Stadt, die weniger gut durch klassischen ÖPNV erschlossen sind. Ein positives Beispiel für die Vernetzung von Ridesharing und ÖPNV ist zum Beispiel ioki in Hamburg, ein gemeinsames Projekt von VHH und der DB-Tochter ioki, das außerhalb der Innenstadt Fahrgäste von und zu größeren ÖPNV-Haltestellen transportiert.
Um die Verkehrswende zu schaffen und zum Beispiel autofreie Gebiete zu ermöglichen, wollen wir alle Menschen mitnehmen. Auch diejenigen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mit dem eigenen Fahrrad fahren oder mit vielen anderen Menschen in der Bahn unterwegs sein wollen. Wenn das eigene Auto schon vor der Tür steht, Steuer und Versicherung schon bezahlt sind, dann greift man gerne mal zum Autoschlüssel anstatt die Öffis zu nehmen. Aber wenn wir es schaffen, die Nutzung des Umweltverbundes ähnlich komfortabel wie die Fahrt mit dem eigenen Auto zu machen, dann schaffen wir auch die Verkehrswende. Und Ridesharing-Dienste gehören dazu, wenn sie unter politisch beschlossenen Rahmenbedingungen fahren.
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